DER ANLASS – Sich zeigen Das Tagungsthema „Psychomotorik im Wandel“ schien mir ein hinlänglich aufforderungsstarker Impuls zu sein, etwas von dem nach draußen zu geben, was sich in den zurückliegenden Jahren bei mir in der Bewegungsarbeit mit Kindern unterschiedlichster Welten und Systeme ereignet und verändert hat. War schon die Vorbereitung des Workshops hinsichtlich Dokumentation, Präsentation und Reflexion schwierig genug, so erwies sich die folgende schriftliche Spurensuche als abenteuerliche, an der Grenze zum Scheitern befindliche Aktion. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen können die Wörter unserer Sprache nicht annähernd die Lebendigkeit und Fülle der Phänomene beschreiben, die ich mit den Kindern erleben durfte – selbst die gedrehten Videosequenzen bilden nur dürftig das Geschehene ab - , zum anderen bekam ich Skrupel, ob ich nicht mit dieser Dokumentation den Respekt und das Vertrauen, daß diese Kinder mir entgegengebracht haben, zum Zwecke sogenannter wissenschaftlicher Forschung mißbrauchte. Letztlich haben die Kinder mich selbst ermuntert, auch anderen davon zu erzählen, so die Aussage eines Jungen, „zeigs doch denne, wias goat, so mit Kenda“(weitere Bemerkung 2). Ich werde
also im folgenden versuchen, mit Geschichten und Meta-Geschichten etwas zu
beschreiben, was mit klassischen Begriffen wie Entwicklung, Förderung oder
Therapie vermeintlich nicht mehr viel zu tun hat, gleichzeitig aber genau dies
dann doch im Sinn hat, und wie eine konsequent an kindlichen Entwicklungsbedürfnissen
ausgerichtete dialogische und zutiefst responsive Vorgehensweise alte Grenzen
überwindet, neue Horizonte ermöglicht,
aber auch viele Fragen entstehen lässt. Dabei gehe ich phänomenologisch
vor, d.h ich versuche zu beschreiben, was ich beobachtet, erkannt und
verstanden habe durch mein subjektives, einfaches Erleben. Diese subjektiv
erlebte Wirklichkeit soll in
diesem Beitrag aber nicht als Grundlage für spätere Modell- und
Konzeptbildungen dienen, wohl aber Mut machen, ähnliches auszuprobieren.
Meine Vorgehensweise ist darüberhinaus so neu nicht. Wesentliche
Grundgedanken sind schon viel früher bei AUCOUTURIER/LAPIERRE (1982, 1998)
dargestellt, so z.B. das Konzept der bedingungslosen Annahme der Natur und des
Seins des Kindes, oder das Bemühen,
kindliche Handlungen, wie auch immer sie sein mögen, zu verstehen. Auch in
der deutschen Psychomotorik lassen sich in letzter Zeit, so z.B. in dem durch
SEEWALD (1992) und anderen (ECKERT 1998 ,ESSER 1992, HAMMER 1995, OLBRICH
1993, PASSOLT 1995) entfalteten verstehenden Ansatz in der Psychomotorik
Spuren wiederfinden. Trotzdem ist meine Spurensuche in der konkreten
Auseinandersetzung mit der Situation und den Kindern originär und
einzigartig. Der Focus dieser Vorgehensweise, ich werde dies im folgenden noch
differenzierter darstellen, liegt zum einen im Hervorheben der elementaren
Bedeutung der Beziehung zwischen Begleitern und Kindern als elementare
Grundlage für Entwicklung beider Gruppen, zum anderen im konsequenten
Loslassen von dezidierten Förderzielen und –absichten. So verstehe ich
diesen Artikel als Dokumentation einer Spurensuche und Hinterlassung von
Wegzeichen in der Evaluation einer psychomotorisch orientierten
Entwicklungsbegleitung von Kindern. Sich-Zeigen
– das war der Anlass. Der Mut dazu kam von den Kindern, die sich mir in
ihren symbolischen Spielen und Geschichten, ihren authentischen Gefühlen wie
Wut, Ärger, Freude, Lust, Hilflosigkeit und Stärke gezeigt, geschenkt haben.
Dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle danken. Auch hat
sich im Laufe dieses Prozesses mein erkenntnisleitendes Interesse verändert.
Beobachtete ich anfangs die Wirkungen bestimmter psychomotorischer Settings
auf die Entwicklung von Kindern, ging ich später immer mehr der Frage nach,
ob nicht verstehende Entwicklungsbegleitung ein Widerspruch in sich ist,
geradezu die höchste Form manipulativen Seins mit Kindern in therapeutischen
Beziehungen. |
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