Die Entwicklung – die Erkenntnis

Am Beispiel des C., einem z.Zt. des Erstkontakts 5 ½ -jährigen Buben, möchte ich abschließend und zusammenfassend 3 ausgewählte wichtige Prinzipien einer Entwicklungsbegleitung aus meiner Sicht beschreiben und einordnen. Ich verlasse hier z.T. die Ebene der phänomenologischen Methode, um Erkenntnisse und handlungsleitende Methoden vorstellen zu können.

Immer wenn ein neues Kind kommt, verbinde ich mich ausschließlich mit dessen So-Sein in der Gegenwart; ich interessiere mich nicht für seine „Probleme“, führe keine anamnestischen Gespräche, lese keine Diagnosen und  entwerfe keine Förderszenarien. Ich bin damit beschäftigt das Kind wahrzunehmen, aber nicht mich mit dessen Wahrnehmungsproblemen auseinanderzusetzen. Desgleichen wende mich ihm auch nicht in besonderer Weise zu, sondern lade es allenfalls mit dem sprachlichen Impuls „schön ,daß du das bist. Wenn du Lust hast, mach einfach mit“ ein, sich uns anzuschließen. Ich spiele weiter mit der Gruppe; durch teilnehmende Beobachtung seines Verhaltens mache ich mir langsam ein Bild dessen, was für mich wesentlich ist, wohl wissend, daß dies nur ein Bild ist, aber nicht die Wirklichkeit. Das Kind bekommt einen Raum, um sich zu zeigen, sich auszudrücken. Dabei achte ich vor allem auf seine körperenergetischen Signale, die Art des Blickkontakts und die Qualität seiner Hinbewegungen zu Personen oder Objekten. Die Ergebnisse der Handlungen interessieren mich dabei weniger als die Art der individuellen Verwirklichung.

C. kommt an der Hand seiner Mutter, mehr versteckt als offen, wendet sich bei der Begrüßung von mir ab und ist den Tränen nahe, als er merkt, daß seine Mutter ihn abgeben will. Ich bitte sie zusammen in die Halle, biete ihr an, daß sie mitmacht - was sie nicht will – und lade C. ein (s.o.) mitzumachen. Er orientiert sich an der Gruppe, die gerade mit dem Rollbrett fährt, schnappt sich selbst ein Rollbrett und düst los. Die Mutter interpretiert dies so für sich, daß sie nun gehen kann und wendet sich der Tür zu. C. sieht das aus dem Augenwinkel, bricht sofort ab und rennt stark heulend zu ihr hin. Die Mutter tröstet ihn sprachlich und versichert ihm, daß sie noch bleiben werde. Daraufhin sitzt C. ca.15 min. in ihrem Schoß und beobachtet das Treiben in der Halle. Die Mutter versucht immer wieder, ihn sprachlich zu überreden, doch wieder mitzumachen, denn „da kannst du doch was lernen“. Kurz vor Schluss löst er sich und fährt noch kreuz und quer durch die Halle mit dem Rollbrett. Dabei ist sein Gesicht wie leblos und starr. Er wendet sich mir nicht mehr zu und geht ohne Verabschiedung. Als ich ihn frage, ob er wieder kommen möchte, nickt er heftig mit dem Kopf, seine Augen strahlen zum ersten Mal etwas.

Solche Eingangssituationen dürften vielen unter Ihnen bekannt sein. Je nach Theoriebrille lassen sich hier vielfältige Erklärungszusammenhänge darstellen. In gewisser Weise gehe ich auch so vor, da ich mich mit meinem ersten Prinzip auf die Reichianischen und Neo-Reichianischen Sichtweisen von Entwicklung beziehe.
...weiter im Text...