Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft?
Die großen Gesellschaftsdiagnostiker der Gegenwart sind sich in ihrem
Urteil relativ einig: Die aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche gehen ans
"Eingemachte" in der Ökonomie, in der Gesellschaft, in der Kultur,
in den privaten Welten und auch an die Identität der Subjekte. In Frage
stehen zentrale Grundprämissen der hinter uns liegenden gesellschaftlichen
Epoche, die Burkart Lutz schon 1984 als den "kurzen Traum immerwährender
Prosperität" bezeichnet hatte. Diese Grundannahmen hatten sich zu
Selbstverständlichkeiten in unseren Köpfen verdichtet.
Wenn wir sicher wüssten, was uns die künftigen gesellschaftlichen
Entwicklungen in diesem globalisierten, digitalisierten Kapitalismus bringen
werden, dann könn-ten wir entsprechende Lernprozesse im klassischen
curricularen Sinne organisieren. Auch wenn wir diesen gesellschaftlichen
"Heilsplan" nicht kennen, können wir doch im Sinne der
"Streitschrift Zukunftsfähigkeit" des Bundesjugendkuratoriums vom
17.12.2001 davon ausgehen, "dass die Gesellschaft der Zukunft
- eine Wissensgesellschaft sein wird, in der Intelligenz, Neugier, lernen
wollen und können, Problemlösen und Kreativität eine wichtige Rolle
spielen;
- eine Risikogesellschaft sein wird, in der die Biographie flexibel
gehalten und Identität trotzdem gewahrt werden muss, in der der Umgang
mit Ungewissheit ertragen werden muss und in der Menschen ohne kollektive
Selbstorganisation und individuelle Verantwortlichkeit scheitern können;
- eine Arbeitsgesellschaft bleiben wird, der die Arbeit nicht ausgegangen
ist, in der aber immer höhere Anforderungen an den Menschen gestellt
werden, dabei zu sein;
- eine demokratische Gesellschaft bleiben muss, in der die Menschen an
politischen Diskursen teilnehmen und frei ihre Meinung vertreten können,
öffentliche Belange zu ihren Angelegenheiten machen, der Versuchung von
Fundamentalismen und Extremen widerstehen und bei allen
Meinungsverschiedenheiten Mehrheitsentscheidungen respektieren;
- als Zivilgesellschaft gestärkt werden soll, mit vielfältigen Formen
der Partizipation, Solidarität, sozialen Netzen und Kooperation der
Bürger, egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft, welchen Berufs und
welchen Alters;
- eine Einwanderungsgesellschaft bleiben wird, in der Menschen
verschiedener Herkunft, Religion, Kultur und Tradition integriert werden
müssen, vorhandene Konflikte und Vorurteile überwunden und Formen des
Miteinander-Lebens und -Arbeitens entwickelt werden müssen, die es allen
erlauben, ihre jeweilige Kultur zu pflegen, aber auch sich wechselseitig
zu bereichern" (Bundesjugendkuratorium 2001, S. 17f.).
Ich ergänze diese Liste noch durch zwei weitere Stichworte:
- Die Gesellschaft, in der wir leben ist auch eine Erlebnisgesellschaft,
in immer mehr Menschen ihre Selbstentfaltungswünsche im Hier und Heute
verwirklichen wollen und auf der Suche nach Lebensfreude und
Authentizität sind.
- Die Gesellschaft, die sich immer mehr abzeichnet, wird auch eine
globalisierte, kapitalistische Netzwerkgesellschaft sein, die sich als
Verknüpfung von techno-logischen und ökonomischen Prozessen erweist. Die
Konsequenzen dieser Netzwerkgesellschaft "breiten sich über den
gesamten Bereich der menschlichen Aktivität aus, und transformieren die
Art, wie wir produzieren, konsumieren, managen, organisieren, leben und
sterben" (Castells 1991, S. 138).
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