Vom Blicken und Schauen

Der Psychiater Klaus Dörner berichtet in der Einleitung zu seinem Buch "Tödliches Mitleid" von dem Phänomen des sog. "Pannwitz-Blickes", um damit Anliegen und Problemstellung seiner Ausführungen zu präzisieren.

Dr. Pannwitz, ein Offizier der deutschen Wehrmacht in Ausschwitz, war die Aufgabe übertragen, verwertbares von unverwertbarem Menschenmaterial zu unterscheiden. Grundvorraussetzung dessen war es nach Dörner, mittels reduktionistischer Blickbeschränkungen menschliche Wesen in verwertbare bzw. wertlose Sachen zu verwandeln.

Dörner sieht in dieser Art des selektierenden Blickes ein im Zuge der Moderne heraufkommenden Verwertungsperspektive, die sich nach ihm gerade in der Behandlung der "sozialen Frage" drastisch auswirkte (vgl. Dörner 1988, 7ff).

Diese Form des kalkulierend-objektivierenden Verwertungsblickens bedarf zur Vermeidung subjektiv verfärbter Verunreinigungen der Wert- und Empfindungsenthaltung des dazu legitimierten Gutachters, um so die Entpersonalisierung betroffener Menschen zu gewährleisten.

Der Soziologe Zygmund Baumann, ein Vertreter der Postmoderne, sieht im Programm der Aufklärung und der damit verbundenen Inthronisation der Naturwissenschaften insgesamt das Postulat der subjektiv-normierenden Wertenthaltung zur Gewährleistung rational-objektivierbaren Wissens begründet: einer "Befreiung der Vernunft vom Gefühl, der Rationalität von normativen Zwängen", wie es Baumann nennt (Baumann 1994, 123).

Baumann spricht hier von einem Prozeß der Entmenschlichung, die für ihn dort beginnt, wo Menschen ("Objekte des bürokratischen Prozesses") auf rein quantitative Größen reduziert werden (Baumann 1994, 117ff).

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