Diagnostik ist ein Begriff, der "Karriere" gemacht hat. Wir begegnen ihm in unterschiedlichen Aufgabenfeldern: der Technik, der Medizin, der Psychologie (vgl. Bielefeld 1981, 219). Diagnostik boomt – und das, obwohl vielerorts vom Unbehagen in der Diagnostik berichtet wird (vgl. Eggert 1997).

Das Wort Diagnose hat griechische Wurzeln und wird zumeist in der Bedeutung von "Entscheidung" oder "Unterscheidung" gebraucht. Im medizinischen Sinne dient Diagnostik dem Erkennen und Benennen einer Krankheit. Durch die psychomotorische Linse betrachtet ist ein Verständnis treffender, das ein "Sich Bemühen" um das Kind und ein "Verstehen" des Kindes als wesentliches Element der Entscheidungsfindung miteinbezieht (vgl. Zimmer 1999, 94).

Zur Diagnostik der menschlichen Bewegung werden in der Psychomotorik unterschiedliche Methoden verwendet, die unter Rückgriff auf die Arbeiten von Oseretzky (1931) unterteilt sind in

  • motoskopische Verfahren. Bewegungsmerkmale werden mit Hilfe von Beobachtungen erfaßt. Dies können allgemeine oder standardisierte Bewegungssituationen sein. Die Beobachtung des kindlichen Verhaltens bildet den Ausgangspunkt der Diagnostik.
  • motometrische Verfahren. Die Messung motorischer Merkmale erfolgt durch Tests. Bewegungsleistungen werden vor allem quantitativ erfaßt und ermöglichen durch den Vergleich mit den Daten der entsprechenden Altersgruppe Aussagen über den motorischen Entwicklungsstand eines Kindes.
  • motographische Verfahren. Bewegungen werden fotografisch, mechanisch oder elektrisch aufgezeichnet, um sie anschließend einer Analyse zu unterziehen. Durch die einfache Handhabung der Videotechnik ist die Motographie eine hilfreiche Methode innerhalb der Diagnostik.

Vor allem die motometrischen Verfahren galten lange Zeit als der Motodiagnostik liebstes Kind. Verbunden mit der Anwendung von Tests war die Hoffnung auf Handlungsanleitung und Klarheit für den pädagogischen und therapeutischen Alltag. Diese Aussicht hat sich als Illusion erwiesen, da die Ermittlung eines "objektiven" Zahlenwertes und seine Einordnung in vergleichende Tabellen noch nichts über weitere Interventionsschritte in der Praxis aussagt.

Kritik an einer Art des diagnostischen Vorgehens, die das Leistungsvermögen eines Kindes auf der Basis interindividueller Vergleiche lediglich feststellt, wurde vor allem von Eggert geäußert (1993, 1995, 1997). Diagnostik kann nicht losgelöst von der Betrachtung der kindlichen Persönlichkeit vorgenommen werden. Im Sinne eines ganzheitlichen Verständnisses psychomotorischer Förderung richtet sich Diagnostik "sowohl auf das Bewegungsverhalten des Kindes, als auch auf seine emotionale Befindlichkeit, sein soziales Verhalten, seine Bedürfnisse und Interessen und seine gesamte Lern- und Lebenssituation" (Zimmer 1999, 94).

Der aus der sonderpädagogischen Diskussion stammende Begriff "Förderdiagnostik" versucht dieser Forderung Rechnung zu tragen. Der Begriff ist nicht neu. Zu Beginn der 70er Jahre wurde in Auseinandersetzung mit der klassischen Diagnostik für die klinische Psychologie eine stärker "therapieorientierte" und in der Pädagogik eine stärker "förderungsorientierte" Diagnostik gefordert. Es existieren kontroverse Auffassungen darüber, was Förderdiagnostik denn nun sei. Daß mit diesem Stichwort das Insgesamt jener Aktivitäten bezeichnet wird, die im pädagogischen Kontext eine optimale individuelle Förderung ermöglichen, ist unstrittig (vgl. Krapp 1993, XXV).

Für die Psychomotorik lassen sich nachfolgende förderdiagnostische Prinzipien benennen:

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1 Veränderter Auszug aus dem Buch von Silke Schönrade und Günter Pütz (2000): Die Abenteuer der kleinen Hexe. Bewegung und Wahrnehmung beobachten, verstehen, beurteilen, fördern. Dortmund: Borgmann

Annahme: Eine Voraussetzung für die Entwicklung des Körperschemas ist, daß Berührungen lokalisiert werden können.

Intervention: "Der Roboter ist krank":

Körperteile werden Auflegen von Sandsäckchen, Massage mit Igelbällen etc. bewußt gemacht.

Diagnose: Bruno (4 J.) hat Schwierigkeiten, Berührungen an seinem Körper zu spüren und zuzuordnen.

 

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