2. Selb - ständ -igkeit

Die Deutsche Psychomotorik hat sich seit den 70er Jahren in Gütersloh und Hamm als 'Psychomotorische Übungsbehandlung' (PMÜ) entwickelt; dort sind die ersten ambulanten Übungsgruppen entstanden. Ingrid SCHÄFER hat das Behandlungsziel der PMÜ beschrieben: "Förde-rung der gesamten Körperlichkeit (Sinnes- und Bewegungsschulung), des Selbstwertgefühls und des Gemeinschaftsgefühls, um damit eine Harmonisierung des psychomotorischen Funktionsge-füges und eine tiefgreifende Verbesserung des emotional-sozialen Verhaltens zu bewirken" (1989, 21). Hier ging es einerseits um die Erfahrung der Körperlichkeit, Wahrnehmung, Bewegungsschulung, andererseits aber auch um ein psychomotorisches Funktionsgefüge im emotio-nal-sozialen Bereich, mit spielerischen, bildhaften Themen, wie: 'Wir bauen einen Bus', 'Wir fliegen auf den Mond', Robinson und Bienenkönigin, Tiergeschichten und Rollenspielhandlungen. Aus der praktischen Arbeit gab es Überlegungen, wissenschaftlich nachzuweisen, wie Psychomotorik wirkt. Diese Verwissenschaftlichung hat dazu geführt, daß der Begriff "Psychomotorische Übungsbehandlung" -aus dieser Idee ist ja auf organisatorischer Ebene auch der Aktions-kreis Psychomotorik entstanden- jetzt einen Schwerpunkt 'Motorik' erhalten hat. "Der Motologe betrachtet die menschliche Persönlichkeit unter dem Aspekt der Motorik" (BUNDESAN-STALT,1988,2). "Die Motologie sucht so eine eigene Theorie der motorischen Entwicklung und des motorischen Lernens aufzustellen" (SCHILLING, 1981, 188). Motologie ist "die Lehre von der Motorik als Grundlage der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen, ihrer Entwicklung, ihrer Störungen und deren Behandlung" (SCHILLING 1981, 187; vgl. auch SCHILLING 1986). (4)
Untersuchungen und Publikationen zur Psychomotorik (vgl. PASSOLT 1995, HAMMER 1998, BALGO 1998) verweisen oft auf einen Beitrag von Susanne PRECHTL, die den Umschwung zur Theoriebildung mit einer defizitären Thematisierung der subjektiv-emotionalen Erlebnisqualitäten menschlicher Bewegung verknüpft: "Meine Kritik an den bisher vorliegenden Ansätzen einer theoretischen Fundierung des Konzepts der Motopädagogik richtet sich gegen die defizitäre Sichtweise des subjektiven Erlebens von Bewegungsvollzügen und der einseitigen Betonung sozial vorbestimmter, funktionaler Handlungsfähigkeit" (1986,126).
Neue Denkweisen und Benennungen entwickelten sich, wie z.B. die 'TOB', Therapeutisch Orientierte Bewegungserziehung (KESSELMANN 1984; 1993), der Ansatz einer 'Verstehenden Motologie' (MOTORIK 1992, MATTNER 1992, SEEWALD 1992, 1993), Arbeit über Ressourcen, Protektive Faktoren, Arbeit in Netzwerken, (PETZOLD 1993a; LÜPKE / VOSS 1994; PETZOLD 1995, 345ff; PETZOLD 1996a; METZMACHER / ZAEPFEL / PETZOLD 1996a, 1996b; mit Bezug auf die Psychomotorik, vgl. PASSOLT 1995, 1999 i.V.) u.a.
Die Ansätze beinhalten den Paradigmenwechsel, nicht mehr in den Kategorien von krank und gesund, von behindert und nicht behindert zu denken, sondern eine ökologische Sichtweise einzunehmen, das Kind z.B. auch im System Familie und/oder Gesellschaft und von seinen Stärken aus zu sehen. (VON LÜPKE / JANSSEN 1995; FISCHER 1996; EGGERT 1997).

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